Jugendarbeit for Future?! Forschung zu Jugendarbeit in Zeiten einer sozial-ökologischen Transformation. Tagung.

22.06.2024 - 11:00 bis 16:00
Ort
Evangelische Hochschule Nürnberg, Eingang Roonstr. 27 (barrierefrei), 90429 Nürnberg

bunte Grafik mit zwei Personen in bunter Landschaft

Ausführlicher Programmflyer hier (pdf download).

Die Teilnahme ist kostenlos. Mit der Bitte um Anmeldung, auch kurzfristig: anmeldung.jugendarbeitstagung@fb4.fra-uas.de

Posterbeiträge können auch jetzt noch bei katrin.valentin@evhn.de eingereicht werden. Näheres siehe unten und auf dem Programmflyer.

Hintergrund

Jugendarbeit* findet derzeit in Zeiten großer gesellschaftlicher Herausforderungen statt. Der neueste Bericht des Weltklimarates macht deutlich, dass es nur noch mit sehr viel Anstrengung und umwälzenden Veränderungen gelingen kann, dass sich die Spezies Menschheit noch an die selbst hervorgebrachten Klimaveränderungen mittelfristig anpassen kann (vgl. IPCC, 2023). Darüber hinaus zu nennen sind die zunehmende Umweltzerstörung und Vermüllung, das Artensterben, der Ressourcenverbrauch und als zentraler Kern in Bezug auf all die genannten Herausforderungen: die soziale Ungerechtigkeit – vor allem aber nicht nur zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden. All diese Entwicklungen fordern transformatorische Bemühungen. Man spricht hier von einer Großen Transformation (vgl. WBGU, 2011) oder einer sozial-ökologischen Transformation (vgl. UBA, 2020), die alle gesellschaftlichen Bereiche – und damit auch die Jugendarbeit – betrifft. 

Diese Situation wird auch von den jungen Menschen wahrgenommen. Neure Jugendstudien zeigen deutlich, dass junge Menschen wesentlich weniger positiv in ihre Zukunft schauen und zu einem erheblichen Teil davon ausgehen, dass es zukünftigen Generationen schlechter gehen wird (vgl. Börsch-Supan et al., 2022). Seit 2019 geht ein kleiner Teil der Jugendlichen auf die Straße, demonstriert gegen die Inkaufnahme der Zerstörung ihrer Zukunft und hat damit eine ganze Bewegung, die Fridays-For-Future-Bewegung, ausgelöst. Andere Jugendmilieus leben in Unkenntnis der Zusammenhänge rund um den Klimawandel und dem Fortbestand der menschlichen Spezies, wieder andere wissen um das Thema und setzen sich mit den apokalyptischen Szenarien von Naturwissenschaftler:innen nicht auseinander, manche spielen sie im Vertrauen auf eine beschützende (Erwachsenen-)Gesellschaft herunter, weitere ziehen sich gelähmt zurück. 

Festzuhalten ist, dass die Heranwachsenden im aktuellen und kommenden Klimageschehen einerseits eine besonders vulnerable Gruppe darstellen (vgl. Niessen/Peter, 2022: 134). Und das nicht nur, weil sie es sind, die die langfristigen Folgen des derzeitigen kollektiven Handelns der Weltgemeinschaft werden ertragen müssen, sondern auch, weil die Lebensphase Jugend ohnehin eine Krisenzeit darstellt (ebd.) und dementsprechend auch neben dem Thema Klimaangst verunsichernde und herausfordernde Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssen. Anderseits ist strukturell in Kindheit und Jugend eine konstruktive Zukunftszuwendung zu erkennen (vgl. Gabriel 2023). Kinder und Jugendliche entwerfen ihre Zukunft persönlich als positiv und offen und sehen sich als aktiv und handlungsfähig. Sie sind also auch Träger des Wandels. 
Derzeit gibt es noch sehr wenig dezidierte Forschung, die sich mit Fragen des Umgangs mit der beschriebenen Situation in Perspektive auf Jugendarbeit auseinandersetzen (Böhnisch 2020; Valentin 2023). Weder wissen wir jugendforscherisch wie unterschiedliche Jugendmilieus mit der Klimakatastrophe umgehen, noch gibt es Wissen dazu, wie Jugendarbeit darauf konzeptionell und mit praktischen Versuchen reagiert. 

Bisher ist in der Jugendarbeitswissenschaft kaum eine konzeptionelle Debatte zu erkennen, auch wenn zum Beispiel bereits in einigen Bereichen der Jugendarbeit die „Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)“ in der Praxis der Jugendarbeit eine wichtige Orientierung geworden sind. Was in den verschiedenen Organisationstypen der Jugendarbeit in Kooperation mit welchen anderen pädagogischen oder inhaltlichen Organisationen zur Frage der sozial-ökologischen Transformation konkret erprobt wird, ist kaum bekannt und wird nur wenig diskutiert.

 

Ziele der Tagung

Mit der Tagung sollen Schritte unternommen werden, aktuelle Fragen und Forschungslücken zu bearbeiten, die sich durch die sozial-ökologische Transformation ergeben. Die Intention ist es, den empirischen und theoretischen Forschungsdiskurs zu Jugendarbeit in Zeiten einer sozial-ökologischen Transformation zu intensivieren. Es geht auch darum, den bisher begrenzten Forschungsstand zu benennen, vertiefende Forschungsfragen zu formulieren, konzeptionellen Widersprüche herauszuarbeiten und Perspektiven für interdisziplinäre Forschung in Kooperation mit Innovation in der Praxis zu entwickeln.

Geplant ist ein Tagungsband, in dem Inputs und Diskussionsbeiträge dokumentiert werden. Die Arbeitsgruppe „Forschung zu Jugendarbeit in Zeiten einer sozial-ökologischen Transformation“ des Wissenschaftsnetzwerks Kinder- und Jugendarbeit wird aus den Ergebnissen der Tagung Folgerungen für ihre Weiterarbeit ziehen.
 

Arbeitsweise der Tagung

Im ersten Teil sind sowohl Jugendliche und Forschende zugegen. Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. em. Benedikt Sturzenhecker wird in einfacher Sprache gehalten. Anschließend werden im Sinne eines partizipativen Begegnungsraumes vorbereitete und moderierte Kleingruppengespräche mit Jugendlichen geführt, die als Expert:innen geladen werden. Die Gespräche werden jugendarbeiterisch methodisch gestaltet. Durch Kontakte zu unterschiedlichen pädagogischen Einrichtungen von Schule über Jugendverbände bis zu Offene Kinder- und Jugendarbeit werden Teilnehmer:innen aus verschiedenen Jugendmilieus bzw. soziokulturellen Lebenslagen zur Tagung eingeladen. Es geht dabei darum, dass Forschende mit den jungen Menschen ins Gespräch kommen, um einen unmittelbaren Einblick in deren Perspektive auf die Wandlungsprozesse zu erhalten.

Der zweite Teil der Tagung ist der Fachdebatte der beteiligten Wissenschaftler:innen gewidmet. Die Jugendlichen haben die Gelegenheit als kleines Dankeschön das Zukunftsmuseum in Nürnberg zu besuchen. Verschiedene Referent:innen werden zu Fragen der Erforschung und Gestaltung einer sozial-ökologischen Transformation in der Jugendarbeit eingeladen. Es geht dabei unter anderem um Zielsetzungen, konzeptionelle Grundlagen, den bisherigen Forschungsstand und eine Reflexion bisheriger Praxiskonzepte. Ein besonderer Schwerpunkt soll darauf liegen, Methoden, die aus der Zukunfts- und Nachhaltigkeitsforschung stammen und noch wenig in der Jugendarbeits- und Jugendverbandsarbeitsforschung genutzt werden, in den Diskurs einzubringen.

 

Call for Posters

Forschende sind geladen, Poster zu ihren Arbeiten, die sich auf oben skizzierte Zusammenhänge beziehen, einzureichen. Dies kann 

  • in Form eines thetischen Diskussionsbeitrages,
  • als Präsentation eines eigenen Forschungsprojektes oder
  • in Vorstellung einer Forschungsmethode erfolgen.

Fachkräfte der Jugendarbeit können auch Poster einreichen, die aus der Perspektive der Praxis dazu arbeiten. Dies kann

  • in Form eines Diskussionsbeitrages zu wichtigen Forschungsfragen und -perspektiven aus Sicht der Praxis,
  • als Präsentation eines Praxisprojektes oder
  • in Vorstellung eines konzeptionellen Ansatzes geschehen.

 

* Der Text gibt Textabschnitte von Valentin 2023 in überarbeiteter und erweiterter Fassung wieder.

Böhnisch, L., 2020: Soziale Nachhaltigkeit als Thema für die Jugendarbeit – Bildung und Lebensbewältigung im Konfliktfeld von Wachstumszwang und sozialökologischer Sorge. In: sozialraum.de (12), H. 1 (online unter: https://www.sozialraum.de/soziale-nachhaltigkeit-als-thema-fuer-die-jug…, Datum des Zugriffs: 27.05.2023).
Börsch-Supan, J./Spang, E./Schubert, L., 2022: Hört uns zu! Wie junge Menschen die Politik in Deutschland und die Vertretung ihrer Interessen wahrnehmen. Eine Befragung im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland. Düsseldorf (online unter: www.vodafone-stiftung.de/jugendstudie-2022, Datum des Zugriffs: 03.08.2023).
Gabriel, Markus (2023): Liebe Kinder oder Zukunft als Quelle der Verantwortung. München: Kjonia Verlag.
IPCC (2023):  Sythesis Report 1 of the IPCC sixth assessment report (AR6). 3 Summary for Policymakers (online unter: https://report.ipcc.ch/ar6syr/pdf/IPCC_AR6_SYR_SPM.pdf, Datum des Zugriffs: 16.03.2023).
Niessen, P./Peter, F., 2022: Emotionale Unterstützung junger Menschen in der Klimakrise. In: Pfaff, T./Schramkowski, B./Lutz, R. (Hg.): Klimakrise, sozialökologischer Kollaps und Klimagerechtigkeit. Spannungsfelder für Soziale Arbeit. Weinheim und Basel.
UBA (Umweltbundesamt) 2020: Neue Allianzen für sozial-ökologische Transformationen. Dessau-Roßlau (online unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikat…, Datum des Zugriffs: 16.03.2023).
Valentin, Katrin (2023): Jugendarbeit und die Große Transformation. Möglichkeiten und Probleme von Jugendarbeit angesichts sozial-ökologischer Wandlungsprozesse. Heft 5/2023, S. 353-369.
WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen 2011: Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Hauptgutachten. 2., veränd. Aufl., Berlin (online unter: https://www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/hauptgutac…, Datum des Zugriffs: 16.03.2023).
Gabriel, Markus (2023): Liebe Kinder oder Zukunft als Quelle der Verantwortung. München: Kjonia Verlag.

 

Kontakt

Prof. Dr. Katrin Valentin, www.evhn.de/katrin.valentin

Anfahrt siehe link am Seitenende und hier.

Im Rahmen des Wissenschaftsnetzwerkes Kinder- und Jugendarbeit entstand im Jahr 2023 eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung „Forschung zu Jugendarbeit in Zeiten einer sozial-ökologischen Transformation“. Sie dient dem Austausch zu Forschungsarbeiten und Hypothesen zu dem Themenbereich und aus diesem Arbeitszusammenhang ist diese Tagung entstanden."

Orga-Team

Prof. Dr. Katrin Valentin (Forschungsprofessorin an der Evangelischen Hochschule Nürnberg) 
Prof. Larissa von Schwanenflügel (Professur für Kinder- und Jugendarbeit, Jugendbildung und Partizipation an der Frankfurt University of Applied Sciences) 
Simon Hemmerich (Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Erziehungswissenschaften an der Universität Siegen) 
Gianluca Giongo (Jugendreferent der Evangelischen Kirche im Rheinland)